Kristian, ein autistischer Student im Studiengang Creative Media an der Leeds Beckett University (UK), absolvierte ein neunmonatiges Praktikum bei Dynamic, einem Unternehmen, das interaktive Lernanwendungen für einige der weltweit größten Organisationen entwickelt. Zu Beginn seines Praktikums sah sich Kristian mit einigen Herausforderungen konfrontiert: Er wusste nicht genau, welche Arbeiten er erledigen sollte, benötigte regelmäßige kurze Pausen und brauchte klare Anweisungen. Diese Fallstudie zeigt, wie sowohl Dynamic als auch Kristian diese Herausforderungen überwinden konnten und gemeinsam daran arbeiteten, das Arbeitsumfeld autismusfreundlicher zu gestalten.
Wie wurde das Praktikum organisiert?
Bei seiner Suche nach einem Praktikumsplatz bewarb sich Kristian bei Dynamic. Er kannte das Unternehmen von einem Gastvortrag, den es kürzlich gehalten hatte, und konnte sich so ein klares Bild davon machen, was das Unternehmen tut und welche Arbeit von ihm erwartet wird.
Während der Bewerbung erhielt er Unterstützung durch das Praktikumsteam der Leeds Beckett University, das seinen Lebenslauf überprüfte und ihm einige Tipps für seine Bewerbung gab. Kristian entschied sich, seine Autismus-Diagnose in seiner Bewerbung und im Vorstellungsgespräch offenzulegen und sich auf seine Stärken zu konzentrieren, wie z. B. loyal, konzentriert, kreativ, effizient und detailgenau zu sein.
Kristian absolvierte in der ersten Woche seines Praktikums eine Arbeitsplatzeinweisung. Er empfand dies als besonders nützlich, da er so seine Kollegen und das Arbeitsumfeld kennenlernen konnte und alles Nötige erfuhr, bevor er seine Arbeit aufnahm. Er hatte das Gefühl, dass Dynamic eine freundliche Arbeitsatmosphäre bot.
Was waren die Herausforderungen?
Schon bald hatte Kristian Probleme damit, zu wissen, was er tun sollte, wenn er die ihm zugewiesene Arbeit beendet hatte, und er brauchte Zeit, um sich von seinem Arbeitsplatz zu entfernen und sich zu bewegen. Er hatte Angst, etwas Falsches zu tun oder das Gefühl, dass er arbeiten sollte, wenn er kleine Pausen machte. Es fiel ihm auch schwer, vage Anweisungen zu verstehen.
Dynamic hatte zuvor noch nie einen Autisten eingestellt, was bedeutete, dass sie anfangs nur ein begrenztes Wissen über Autismus hatten. Sie baten Kristian, seinen Kollegen eine Präsentation über seinen Zustand und dessen Auswirkungen am Arbeitsplatz zu halten. Dies half den Kollegen zu verstehen, wie sie mit Kristian arbeiten sollten, und es half Kristian auch, seine Vorlieben und Bedürfnisse zu artikulieren. Kristians Präsentation enthielt Informationen über seine Diagnose (Asperger-Syndrom), wie sich sein Asperger-Syndrom auf ihn auswirkt und wie seine Arbeitskollegen ihm helfen können.
Was waren die Anpassungen?
Dynamic nahm Änderungen am Schichtplan, häufigere Pausen, tägliche Einzelgespräche, Änderungen an der Umgebung, z. B. mehr natürliches Licht, Temperaturkontrolle und die Einführung einer einzigen Person (Work Buddy) für Anweisungen anstelle mehrerer Kollegen vor. Dadurch wurde sichergestellt, dass Kristian klar verstand, was seine Arbeitsschwerpunkte waren.
Nach diesen Anpassungen des Praktikums hatte Kristian das Gefühl, dass er wusste, was von ihm erwartet wurde, was wiederum Stress und Ängste abbaute. Als besonders hilfreich empfand Kristian die Tatsache, dass er zwischen seinem “Work Buddy” und seinem Vorgesetzten saß, was bedeutete, dass er um Rat fragen konnte, wann immer er ihn brauchte. Außerdem profitierte er von den wöchentlichen Besprechungen, in denen er Probleme und Anliegen besprechen konnte, da er so über seine Aufgaben auf dem Laufenden blieb.
Tipps für aktuelle Studierende und Absolvent:innen
- Eine Online-Bewerbung kann einfacher sein als eine persönliche Bewerbung.
- Sprechen Sie mit Berufsberatern/Praktikumsvermittlern, um Lebensläufe zu prüfen und Tipps für Bewerbungen und Vorstellungsgespräche zu erhalten.
- Scheuen Sie sich nicht, Ihren Autismus in Ihrer Bewerbung offenzulegen: Konzentrieren Sie sich auf die positiven Aspekte und das, was Sie einbringen können, und nicht auf die negativen Aspekte. Konzentrieren Sie sich darauf, wie Sie sich dadurch positiv von anderen Menschen unterscheiden. Sie können dann später über Ihre Bedürfnisse und Vorlieben sprechen.
- Berücksichtigen Sie den Arbeitsort, denn der Weg zur und von der Arbeit kann anstrengend sein.
- Überlegen Sie, welche Arbeitsmuster für Sie am besten geeignet sind, z. B. Teilzeitarbeit.
Tipps, die Sie mit Arbeitgeber:innen teilen können
- Geben Sie der autistischen Person Zeit, sich an den Arbeitsplatz zu gewöhnen, z. B. durch eine Arbeitsplatzeinführung vor Beginn des Praktikums oder der Beschäftigung.
- Fragen Sie die autistische Person, was ihr helfen würde, z. B. häufigere Pausen, ein einziger und beständiger “Work Buddy”, etwaige Umgebungsbedürfnisse, z. B. Beleuchtung, Temperatur, der Wunsch, Kopfhörer zu tragen.
- Seien Sie sich darüber im Klaren, was Sie von ihnen erwarten, und stellen Sie sicher, dass nur eine Person ihnen Anweisungen gibt und die Arbeit erledigt. Idealerweise sollte der “Work Buddy” neben oder in der Nähe des autistischen Person sitzen, damit er für Anweisungen und Unterstützung leicht erreichbar ist.
- Seien Sie realistisch in dem, was Sie von der autistischen Person erwarten, erwarten Sie nicht, dass sie ihre einzigartigen Gewohnheiten oder Marotten ändert.
- Seien Sie geduldig und verständnisvoll.
- Loben Sie sie und geben Sie ihnen Feedback zu ihrer Arbeit.
- Geben Sie bei Leistungsbeurteilungen eher konstruktive als kritische Bewertungen ab.
- Sorgen Sie für eine gute Strukturierung der Arbeit, damit die autistische Person nicht mit leeren Händen dasteht, wenn sie die ihr zugewiesene Arbeit früher als erwartet beendet hat.
- Berücksichtigen Sie bei der Einstellung autistische Menschen genauso wie alle anderen. Erwägen Sie auch, auf den Bewerbungsformularen darauf hinzuweisen, dass autistische Menschen genauso willkommen sind wie alle anderen.